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Hoher Glasanteil

Obschon mögliche Probleme von Gebäuden mit hohem Glasanteil bekannt wären, geht bei solchen Projekten immer wieder etliches schief. Hohe Betriebskosten, Behaglichkeits-Probleme, grosser Energieverbrauch sowie überdimensionierte und hochgerüstete Haustechnik treten bei solchen Bauten unnötig oft auf. Dass und wie solche Fehlplanungen zu verhindern sind, wird im Folgenden kurz aufgezeigt.
Lichtmanagement

Gebäude mit hohem Glasanteil –Werkzeuge für die Planung!

Mit den immer strenger werdenden Anforderungen an den Heizwärmebedarf nimmt der sommerliche Wärmeschutz gegenüber dem winterlichen aus energetischer Sicht eine immer wichtigere Stellung ein. Die Betriebskosten eines Gebäudes sind heute ein wichtiges Kriterium. Die Ansprüche der Benutzer an die Behaglichkeit von Räumen sind nach wie vor hoch oder sogar im Steigen begriffen. Der Einsatz von Kühl- und Klima-Anlagen ist oft gar nicht mehr erlaubt. Und trotzdem werden immer mehr Gebäude mit vollverglasten Fassaden oder zumindest mit hohem Glasanteil erstellt –sie faszinieren Architekten und Bauherrschaften gleichermassen.

Trotz der hohen Ansprüche an solche Bauten, sind heute –mit entsprechend sorgfältiger Planung –sehr wohl erfolgreiche und wegweisende Projekte zu realisieren. Die Möglichkeit dazu haben vor allem die professionellen Bauherrschaften der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand mit vielerlei Bauprojekten und entsprechend einschlägigen Erfahrungen. Doch auch kleinere Bauherrschaften und Planer, welche nicht regelmässig Glasfassaden erstellen, können sich der Thematik annehmen.

Denn wer die Thematik des sommerlichen Wärmeschutzes ernst nimmt, dem stehen heute Hilfsmittel zur Dimensionierung und Optimierung seines Bauvorhabens zur Verfügung. Das Know-how ist vorhanden – nur muss es aktiver genutzt werden.

Wenn bei Bauprojekten der architektonische Ausdruck mit schlauen Energiekonzepten verbunden wird, so werden zukünftig noch vermehrt optimierte, akzentuierte sowie in jeder Hinsicht zukunftsweisende Bauten gelingen –auch mit hohem Glasanteil.

Spezialisten-Erfahrung als Initialzündung
Bisher waren es die Spezial-Ingenieure, wie Bauphysiker, Energieberater, Haustechniker mit Erfahrung im Bereich des konzeptionellen sommerlichen Wärmeschutzes, welche die Bauherrschaften und Architekten darauf hinweisen mussten, dass ihr Projekt ein Überhitzungsproblem hat und dass dieses möglichst ohne oder nur mit minimalster Haustechnik zu lösen sei. Solche Spezialisten können schon seit vielen Jahren mit qualitativen Aussagen in Richtung einer Gebäudeoptimierung beraten. Für quantitative, möglichst genaue Aussagen bezüglich der Wirksamkeit der einzelnen Massnahmen werden ebenfalls schon seit Jahren Gebäudesimulationsprogramme beigezogen.

Neues SIA-Merkblatt 2021 als Grundwerkzeug
Am 1. Oktober 2002 ist das SIA-Merkblatt 2021 mit dem Titel “Gebäude mit hohem Glasanteil –Behaglichkeit und Energieeffizienz“ in Kraft getreten, welches neu die verschiedensten Erkenntnisse aus jahrelanger Erfahrung und aus speziell für das Merkblatt durchgeführten Untersuchungen (Ergebnisse daraus in der Dokumentation SIA D 0176) zu möglichst einfachen Faustregeln zusammenfasst.

Das Merkblatt definiert, welche Gebäude als solche mit hohem Glasanteil zu bezeichnen sind. Die Verfasser des Merkblatts stellen Regeln für Gebäude mit hohem Glasanteil auf, sowohl im Bereich der baulichen, der betrieblichen als auch der haustechnischen Massnahmen. Es werden Aussagen zu notwendigen Kennwerten von Gläsern, Sonnenschutz, Gebäudemasse, internen Wärmelasten, Lüftung u. ä. gemacht, welche zu energieeffizienten und behaglichen Gebäuden führen. Zudem wird angegeben, welche Verbesserungen des Raumklimas (v. a. Raumlufttemperatur) durch die beschriebene Dimensionierung der Bauelemente zu erwartenden sind.

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Werkzeuge zur Beurteilung und Dimensionierung von “Viel-Glas-Gebäuden“
Als konkretes Werkzeug dient schliesslich ein durch die Merkblattverfasser erstelltes Vorgehensmodell. Dieses zeigt den Weg zu einer frühzeitigen Problemerfassung auf und definiert ein schrittweises Vorgehen für eine mehrstufige Risiko-Abschätzung:

  • In einem ersten Schritt wird anhand einer geometrischen Überprüfung der Gebäudehülle ermittelt, ob das Gebäude oder einzelne Räume davon zur Kategorie mit hohem Glasanteil zu zählen sind
  • In einem zweiten Schritt wird eine Risikobeurteilung anhand der Gesamtwärmelast (bestehend aus solaren und internen Wärmelasten) vorgenommen
    Daraus resultieren drei mögliche Szenarien des weiteren Vorgehens:
  • Entweder der zu erwartende Komfort ist deutlich ungenügend, so dass das Projekt nochmals überarbeitet werden muss, betreffend Glasqualität, Glasanteilen, Sonnenschutz, Gebäudemasse, interne Wärmelasten usw.
  • Oder der zu erwartende Komfort ist eindeutig als gut zu bezeichnen, was allenfalls noch eine Redimensionierung der Haustechnik und/ oder kleinere energetische Optimierungen zulässt
  • Oder aber, der zu erwartende Komfort ist gerade als knapp genügend zu bezeichnen bzw. es besteht eine grosse Unsicherheit

Nach wie vor zusätzliche Planungssicherheit durch Gebäudesimulationen
Im Falle solcher Unsicherheiten werden nach wie vor die Durchführung von Gebäude-Simulationsrechnungen für detaillierte Komfortabklärungen empfohlen. Mit entsprechenden EDV-Programmen können fragliche Räume realitätsnah mit allen Umgebungsflächen wie Wände, Böden, Fenster und mit verschiedenen Varianten flexibler Sonnenschutzsysteme, internen Wärmelasten, Luftwechselraten usw. sowie mit realistischen Klimatdaten simuliert werden. Dabei ist es möglich, durch Verändern der verschiedenen Parameter die sich entwickelnden Innenklimatas der Räume zu eruiert. So kann die Wirksamkeit von verschiedenen Massnahmen berechnet werden, was eine Optimierung der Massnahmen zulässt und zudem eine grössere Planungssicherheit ergibt.

Wohlüberlegte, integrale Planung mit gutem Sonnenschutz als Ausgangslage
Die aktuellen Erkenntnisse zeigen deutlich:

  • Ein flexibler, aussenliegender und auch bei windigen Wetterverhältnissen funktionierender Sonnenschutz ist nach wie vor das A und O des sommerlichen Wärmeschutzes
  • Die Energieeffizienz muss nicht der Behaglichkeit geopfert werden –richtige Planung und Betrieb vorausgesetzt!
  • Gute Gebäude mit hohem Glasanteil erfordern –mit zunehmendem Glasanteil –einen überproportionalen Anteil an fachlicher Aufmerksamkeit, um Misserfolge mit Langzeitwirkung zu vermeiden.

Das Know-How für die Planung besteht also. Jetzt will es genutzt und umgesetzt werden!

Beat Rothweiler, dipl. Ing. HTL,
Gartenmann Engineering AG, Basel
Basel, 26. November 2002