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Merkblatt über Produktehaftpflicht

1. Einleitung
Mit dem am 1.1.1994 in Kraft getretenen Produktehaftpflichtgesetz (PrHG) hat auch die Schweiz, in Anlehnung an europäische Normen, Vorschriften, welche die Haftung des Herstellers für Schäden aus fehlerhaften Produkten regeln. An erster Stelle steht dabei für den Hersteller das Bemühen um bessere Qualität. Doch sind auch Vorkehrungen für den Schadenfall zu berücksichtigen – von der Vertragsgestaltung über die Dokumentation (Produktionsvorgänge und Gebrauchsanweisungen) bis zum ausreichenden Versicherungsschutz.

2. Definition
Produktehaftpflicht ist die vertrags- und verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers für Personen- und Sachschäden aus dem Gebrauch eines von ihm hergestellten und in Verkehr gebrachten fehlerhaften Produkts.

3. Schäden
Unter das PrHG fallen ausschliesslich Schäden an Leib und Leben (Tod und Verletzungen) sowie an Sachen, die üblicherweise für den privaten Gebrauch bestimmt und vom Geschädigten auch hauptsächlich privat verwendet werden. Schäden am fehlerhaften Produkt selber sind nicht Sache des PrHG, sondern Gegenstand der Gewährleistung. Sachschäden im industriell-gewerblichen Bereich, Vermögensschäden, die nicht Folge eines Personen- oder Sachschadens sind, Genugtuungsansprüche eines Verletzten sowie Schäden durch Produkte, die vor dem 1.1.1994 in Verkehr gebracht wurden, unterstehen nicht dem PrHG.

4. Produkt
Produkt nach PrHG ist jede bewegliche Sache, selbst wenn sie in eine unbewegliche Sache eingebaut oder Teil einer anderen beweglichen Sache ist. Als Produkt gilt auch die Elektrizität. Landwirtschaftliche Bodenerzeugnisse sowie Tierzucht-, Fischerei- und Jagderzeugnisse gelten erst dann als Produkte, wenn sie einer ersten Verarbeitung unterzogen wurden.

5. Hersteller
Als Hersteller im Sinne des PrHG gilt: - die Person, die das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat (Hersteller) - jede Person, die sich als Herstellerin ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt (Quasi-Hersteller) - jede Person, die ein Produkt zum Vertrieb im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit einführt bzw. liefert (Importeur/ Lieferant)

6. Fehlerhaftes Produkt
Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist; insbesondere zu berücksichtigen sind: - die Art und Weise, in der das Produkt dem Publikum präsentiert wird (Werbung); - der Gebrauch, mit dem vernünftigerweise gerechnet werden kann (Gebrauchsanweisungen) - der Zeitpunkt, in dem das Produkt in Verkehr gebracht wurde. Ein Produkt ist nicht schon deshalb fehlerhaft, weil später ein verbessertes Produkt in Verkehr gebracht wurde; es gilt der seinerzeitige Stand der Technik.

7. Fehlerkategorien
Folgende Fehlerkategorien sind möglich: - Konstruktionsfehler, d.h. es liegt eine Abweichung vom Stand der Technik im Zeitpunkt der Herstellung des Produkts vor; - Fabrikationsfehler, d.h. missratene Einzelstücke aus an sich den massgebenden Sicherheitserwartungen genügenden Produkteserien; - Darbietungsfehler, d.h. ungenügende, fehlende oder irreführende Darbietung des Produkts.

8. Entlastungsgründe des Herstellers
Der Hersteller kann sich von der Haftung entlasten, -wenn er beweist, dass das Produkt nicht von ihm in Verkehr gebracht wurde; - dieses beim Inverkehrbringen noch keine Fehler aufwies; - weder für den Verkauf noch wirtschaftlichen Verbrauch noch im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben wurde; -wegen der Einhaltung hoheitlicher Vorschriften fehlerhaft ist; - nach dem Stand der Technik bei Inverkehrbringen nicht als fehlerhaft erkannt werden konnte (Entwicklungsrisiko); - erst durch Einbau in das Endprodukt fehlerhaft wurde.

9. Beweislage
Um Ansprüche aus Produktehaftung geltend zu machen, hat der Geschädigte den Schaden, die Fehlerhaftigkeit des Produkts, den Kausalzusammenhang zwischen Schaden und fehlerhaftem Produkt sowie schliesslich die Hersteller-Eigenschaft des Beklagten zu beweisen. Der Hersteller kann sich seinerseits exkulpieren bei Vorliegen eines Entlastungsgrundes. Generelle Einschränkung oder Wegbedingung der Haftung gegenüber dem Geschädigten sind nichtig.

10. Dauer der Haftung
Ansprüche aufgrund der Produktehaftpflicht müssen innert drei Jahren geltend gemacht werden, nachdem der Schaden eingetreten ist und der Fehler sowie der Hersteller des Produkts bekannt sind (Verjährung). Ansprüche aus Produktehaftpflicht erlöschen absolut zehn Jahre nach Inverkehrbringen des Produkts (Verwirkung).

11. Versicherung
Die Produktehaftpflicht ist eine gesetzliche Haftung, die normalerweise in der Betriebshaftpflichtversicherung integriert ist. Die Leistungen der Versicherungsgesellschaft bestehen in der Entschädigung begründeter und in der Abwehr unbegründeter Ansprüche.

12. Prüfung von Produktehaftpflichtfällen
Aufgrund dieses Merkblattes sind im Falle möglicher Ansprüche in Produktehaftpflichtfällen folgende Punkte zu prüfen:

  • Liegt ein Schaden vor ?
  • Ist die Produkteeigenschaft gegeben ?
  • Ist ein fehlerhaftes Produkt festzustellen ?
  • Besteht ein (adäquater) Kausalzusammenhang zwischen dem fehlerhaften Produkt und dem eingetretenen Schaden ?
  • Kommt dem Angesprochenen Herstellereigenschaft zu ?
  • Wird der Anspruch rechtzeitig geltend gemacht (Verjährung/ Verwirkung) ?
  • Liegen Haftungsausschlussgründe vor ?


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